Dunkle Erkenntnis

Astrale Verbundenheit…

Wir haben drei Tage, bevor Prinz Neden Märkteburg mit der Luftschiffflotte angreift. Tust trifft den dicken Händler Pit und erfährt von ihm, dass es einen unbewachten Zugang zur Stadt gibt.

Das Gitter, durch das der kleine Fluss in die Stadt fließt, ist zur Seite gestemmt worden und bietet eine Möglichkeit, von Wachen ungesehen in die Stadt zu gelangen. Wir wissen auch, wie wir bis zu dieser Stelle kommen werden: Pit wird Fässer auf seinem Karren so aufstapeln, dass wir uns in einem Hohlraum in der Mitte verbergen können. Nachdem wir unsere Ausrüstung komplettiert und ein paar letzte Namensgeber gesprochen haben, machen wir uns am frühen Morgen auf den Weg.
Ohne Zwischenfälle erreichen wir den Durchschlupf. Pit stoppt seinen Karren und pinkelt in die Büsche auf der anderen Seite des Weges, während wir und leise vom Wagen und in die Flusssenke begeben. Das kalte Wasser umspült unsere Beine. Nasser als wir durch den verdammten Regen ohnehin schon sind, werden wir aber nicht mehr. Ein astraler Blick bestätigt unsere Vermutung, dass der Regen nicht natürlichen Ursprungs ist. Zumindest ist er nicht dämonisch.

Ohne Zwischenfälle gelangen wir in die Stadt, die sich komplett verändert hat: Kaum Namensgeber auf den Straßen, alle Märkte und Geschäfte geschlossen. Niedergeschlagenheit und Elend liegt beinahe greifbar in den Straßen. Wir sehen Wachen durch die Straßen ziehen und beschließen uns aufzuteilen, um unauffälliger operieren zu können. Ziel: Informationen sammeln. Treffpunkt: Das Marktbräu, der ehemalige Unterschlupf der Rigoristri. Aldér und Raki werden nach wenigen Schritten vom Regen verschluckt. Tust, Takris und ich stapfen in eine andere Richtung davon und werden kurz darauf auf eine Frau aufmerksam, die scheinbar jemanden sucht. Wir sprechen sie an und erfahren, dass ihr Mann Martin verschwunden ist, nachdem er gestern Nacht in einem der von Belitor aufgehängten Säcke etwas zu essen besorgen wollte. Seinem Beruf als Dachdecker konnte er nicht mehr nachgehen. Niemand hat mehr Geld, um ihn zu bezahlen.

Gerade, als wir überlegen, ob wir die Frau nach einem Unterschlupf fragen sollen, werden wir auf einige Orks, Menschen und einen Zwerg aufmerksam, die eine metallene Kugel zu einem Haus schleppen, um sie dort auf einer Dachterrasse aufzustellen. Es ist eine jener Kugeln, die wir in den Throal-Bergen schon gesehen haben, die die geheime Mine über Granitbinge vor Entdeckung geschützt haben und die wir auch draußen an der Stadtmauer schon gesehen hatten. Belitor, oder besser Bysumil Nerg, überziehen die Stadt mit einem magischen Schutzschild, der am nächsten Mittag in Betrieb genommen werden soll, wie wir später erfahren sollen.
Wir vereinbaren, dass Takris die Gruppe im Auge behält und ihnen folgt, wenn sie Bysumil berichten, dass sie ihren Auftrag ausgeführt haben, während Tust und ich schon mal abklären, ob das Marktbräu noch immer ein sicherer Ort ist und wir es als Quartier benutzen können. Takris verschmilzt mit den Schatten und wir machen uns auf den Weg.

Wir erreichen das Gasthaus ohne Zwischenfälle, stellen aber fest, dass die Tür offen steht, die früher nur mit der richtigen Parole geöffnet wurde. Ich beschließe, nicht durch den Vordereingang zu gehen, um kein Aufsehen zu erregen, doch Tust hat keine Lust am Kücheneingang zu warten. Er tritt ein und bekommt vom Wirt, der ihn nicht gleich erkennt, einen Platz zugewiesen. Zumindest der Wirt ist noch der selbe.
Am Hintereingang dauert es einen Moment, bis ich einen Küchenjungen ansprechen kann. Ich habe mit als mittelloser Bettler getarnt, der nach einer kostenlosen Mahlzeit fragt. Mit ein wenig Überredungskunst willigt der Junge ein, den Wirt rauszuschicken. Als ich diesem das Losungswort sage, nimmt er mich augenblicklich mit rein und weist mir ein abhörsicheres Separee zu, das, in dem wir damals mit Sula gesessen hatten. Er lässt Tust ebenfalls hier herein bringen und erklärt uns, dass sich vieles geändert hat in der Stadt und auch im Marktbräu. Das Haus ist kein sicherer Ort mehr, aber für uns der sicherste, von dem wir wissen. Auch die anderen Verstecke der Rigoristri sind nicht länger sicher, seit die Valan sie verraten und vermient haben. Als schließlich Takris unsere Runde komplettiert und berichtet, dass die Gruppe die Kugel bewacht, bis sie am Mittag des folgenden Tages in Betrieb genommen wird, wird klar, dass wir nichts über den Aufenthaltsort von Bysumil Nerg erfahren werden. Eine Sackgasse.
Der Wirt wusste zwar noch, dass der Magier eventuell auf einem der Luftschiffe stationiert sein könnte, aber dorthin zu gelangen ist nicht so ohne weiteres möglich. Wir erfahren außerdem, dass Belitor vermutlich im Bellingtons oder in den Geschäftsräumen der märkischen Händlergilde zu finden sein dürfte und dass Sula als eintige der Rigoristri noch regelmäßig im Marktbräu vorbei schaut, aber auch seit Tagen nicht mehr gesehen wurde. Von Torgonnus wusste der Wirt nichts weiter.

Wir nehmen uns ein Zimmer. Ich versuche etwas über den Regen herauszufinden, erkenne aber schnell, dass Astralsicht hier zur eigenen Entdeckung führen würde. Also muss ich draußen zaubern, irgendwo in den Gassen, wo die Aufmerksamkeit nicht direkt auf das Marktbräu gerichtet würde. Unterdessen ist die Dämmerung hereingebrochen und Takris und Tust erkennen Bewegung auf der Straße. Schützen verteilen sich auf den Dächern und eine kleine Prozession zieht vorbei und bestückt die galgenartigen Vorrichtungen mit neuen Essenssäcken. Warum passiert das immer in der Dunkelheit? Wer fürchtet das Tageslicht?

Warum verschwinden Namensgeber, wenn sie nur kurz raus gehen, um das Essen aus den Säcken zu holen? Und warum sind die Säcke am nächsten Morgen auch verschwunden?

Irgend etwas stimmt nicht in dieser Stadt.

Takris bleibt in unserem Zimmer und beobachtet weiter die Straße, während Tust mich begleitet. Wir halten Abstand von den Essenssäcken und suchen eine kleine, unscheinbare und schlecht ausgeleuchtete Gasse auf, in der ich versuche mehr über die unnatürliche Wolke und den viel zu gleichmäßigen Regen zu erfahren, der schon seit zwei Wochen anhält.
Ich lasse magische Energie fließen und erwarte die astrale Signatur von Bysumil Nergs Elfenmagie zu erkennen, doch was ich sehe, lässt mich zusammenzucken: Der Tanzende Tod hat Einzug in Märkteburg gehalten. Der Regen trägt doch dämonische Züge. Die Hoffnungslosigkeit unter den Namensgebern, die der Regen verbreitet, nährt der Dämon und auch die verschwundenen Bewohner der Stadt ergeben nun Sinn. Mir kommen Bilder aus Neebo Skrees Turm und von bluttropfenden Fleischsäcken in den Sinn. Blutmagie!

Auch wenn der Blutsäufer vernichtet ist, ist es noch nicht vorbei. Das nächste Spiel hatte gerade erst begonnen. Es scheint, als bräuchten wir den Tanzenden Tod nicht länger in Parlainth zu suchen. Er ist hier. In Märkteburg, vor den Toren Throals. Ich wage nicht, mir vorzustellen, wie mächtig die Rituale sind, die hier gewirkt werden. Wir haben gesehen, welche Macht der Dämon entfesseln kann, wenn er nur das Blut einiger weniger Bewohner von Neebo Skrees Turm oder auf der Begräbnisinsel zur Verfügung hat. Wie mächtig wird er hier, wo er eine ganze Stadt beherrscht? Ich spüre, wie meine Nackenhaare sich aufstellen.

Wir müssen zurück ins Marktbräu und Entscheidungen treffen!
Was passiert, wenn Nerg den magischen Schutzschild aktiviert? Prinz Neden darf nicht angreifen, das wäre vermutlich sein Tod. Wie können wir Belitor, Nerg und dem Tanzenden Tod Einhalt gebieten? Sula und Torgonnus sind nicht greifbar, aus Throal ist erst mal keine Hilfe zu erwarten.

Meine Hand umklammert den Blutharz. Was hatte die Naga gesagt? Drachen sind ganz wild nach dem Blutharz? Mein bisher unausgesprochener Plan war, auf dem Weg nach Parlainth den alten Drachen Kohlengrien aufzusuchen und ihre Unterstützung im Tausch gegen das mächtige Artefakt zu erbitten. Ob man den Drachen auch rufen kann? Die Kälte, die sich nach dem Zauber in der Gasse in mir ausgebreitet hatte, lässt auch in unserem warmen Zimmer nicht nach …